Ursa­che und Sym­ptom Der »lösungs­ori­en­tier­te« Umgang mit Pro­ble­men – Über­le­gun­gen zu Wer­ten, Kos­ten und Sparen

Wir leben in tech­nisch höchst fort­schritt­li­chen Zei­ten. Wenn es Pro­ble­me gibt, gilt es sie zu lösen, und sicher­lich gibt es auch eine bereit­ste­hen­de, pas­sen­de Lösung; das ist unse­re der­zei­tig tech­ni­sche Denk­wei­se. Inter­es­sant ist nun, wie man mit einer gege­be­nen Situa­ti­on umgeht.

In letz­ter Zeit liest man öfters von »lösungs­ori­en­tier­ten« Ansät­zen. War­um wer­den die­se so unter­stri­chen? Gibt es »nicht lösungs­ori­en­tier­te« Ansät­ze? Oder sug­ge­riert dies eine schnel­le, kur­ze, knap­pe – ergo Zeit und Geld spa­ren­de – Metho­de, ein Pro­blem zu lösen? Zeit und Geld sind heu­te gesell­schaft­lich ver­mut­lich mit die wert­volls­ten Wäh­run­gen. Sie sind prak­tisch zu »Wer­ten« mutiert. Dis­kurs, Ver­ste­hen, Ler­nen, sozu­sa­gen die logisch nach­voll­zieh­ba­re Erkennt­nis einer Situa­ti­on, das Begrei­fen von Zusam­men­hän­gen – Ursa­chen und Sym­pto­men – tre­ten in den Hin­ter­grund. Ja, sie stö­ren sogar, weil sie abzu­len­ken scheinen.

Doch kann man ein Pro­blem lösen, wenn man nicht hin­ter­fragt, wodurch es ver­ur­sacht wird? Man scheint zu den­ken, dass man kön­ne – anders lässt sich nicht erklä­ren, dass statt akti­vem Han­deln immer mehr Reak­tio­nen als Pro­blem­lö­sun­gen ver­kauft wer­den. »Ver­kauft« trifft es gut, da die »Wer­te« Zeit und Geld im Vor­der­grund ste­hen. Zeit ist bekannt­lich Geld. Ein bana­les aber sehr tref­fen­des Bei­spiel wäre: der Kopf­schmerz. Was tut der moder­ne Mensch, wenn er Kopf­schmer­zen hat? Er nimmt eine Kopf­schmerz­ta­blet­te. Und das Pro­blem ist weg!

Was Kopf­schmer­zen sind, inter­es­siert vie­le nicht. Ihnen geht es nur dar­um, dass er unan­ge­nehm ist, stört und weg muss. Kopf­schmer­zen sind ein Pro­blem. Die Tablet­te ist die Lösung. Der lösungs­ori­en­tier­te Ansatz ist also, die Tablet­te zu neh­men und kei­ne Kopf­schmer­zen mehr zu haben. Wer will sich schon mit sol­chen Din­gen beschäf­ti­gen, was Kopf­schmer­zen sein könn­ten, wodurch sie ver­ur­sacht sein könn­ten, was sie genau signa­li­sie­ren? Und wen inter­es­siert es, was die Tablet­te genau ist, was sie beinhal­tet, wie und war­um sie wirkt, etc. Nicht weni­ge emp­fän­den die­se Fra­gen als unnö­tig »intel­lek­tu­ell« und somit auch reich­lich über­flüs­sig. Hier offen­ba­ren sich zwei Din­ge: ein mecha­nis­ti­sches Den­ken und Ignoranz.

Nun von einer soma­ti­schen oder gar psy­cho­so­ma­ti­schen Stö­rung, Fehl­funk­ti­on oder Reak­ti­on zu spre­chen und damit dem Sym­ptom eine vor­an­ge­hen­de Ursa­che zu ver­pas­sen, scheint dem Zeit­geist zu wider­spre­chen. Die­ser Zeit­geist und die­se Men­ta­li­tät wol­len dem­entspre­chend auch gesell­schaft­li­che Pro­ble­me schnell »lösen«. Ohne sie zu ergrün­den. Sym­ptom­be­hand­lung statt Ursa­chen­ana­ly­se und -behe­bung. Reak­ti­on statt Akti­on. Wis­sen­schaft­ler ana­ly­sie­ren und ergrün­den in der Regel, aber wie sieht es mit poli­tisch Akti­ven und Ver­ant­wort­li­chen aus? Sind sie – bezie­hungs­wei­se ihre Hand­lun­gen – wis­sen­schaft­lich oder logisch fun­diert? Oder gel­ten ande­re Wer­te als wich­ti­ger? Ursa­chen­ana­ly­sen sind kei­ne leich­ten Übun­gen, sie erfor­dern … Zeit und Geld. Es ist eine leich­te Gewinn-und-Ver­lust-Rechung: Auf der einen Sei­te gewinnt man Zeit und Geld, indem man Sym­pto­me behan­delt bezie­hungs­wei­se bekämpft – auf der ande­ren ver­liert man Zeit und Geld, weil man sich mit der ach so unnüt­zen, unnö­ti­gen und eh nie­man­den inter­es­sie­ren­den Ursa­che beschäftigt.

Die Fra­ge soll­te nun lau­ten: Was ist nach­hal­ti­ger? Gegen­fra­ge: Ist Nach­hal­tig­keit über­haupt erwünscht? Was ist »attrak­ti­ver« für die Mas­sen: Das öffent­lich­keits­wirk­sa­me Reagie­ren auf Pro­ble­me? Oder das oft­mals nicht offen­sicht­li­che, prä­ven­ti­ve Hin­ar­bei­ten aufs Ver­mei­den von Pro­ble­men? In den Schlag­zei­len sind Extre­mis­ten, Unzu­frie­de­ne, Wut, Ter­ror, Flüch­ten­de und Ster­ben­de fest eta­bliert. Und was wird dage­gen getan? Reagiert. Man könn­te fast den Ein­druck gewin­nen, dass ein gewis­ser Hauch von Mor­bi­di­tät den Schlag­zei­len über­haupt erst ihre Exis­tenz­be­rech­ti­gung verleiht.

Man kann Pro­ble­me nicht mit Sym­ptom­be­hand­lun­gen aus der Welt schaf­fen. Man kann nur mit ihnen umge­hen. Woll­te man wirk­lich mehr als nur umge­hen, woll­te man sie tat­säch­lich lösen, dann muss man sich mit ihren Ursa­chen beschäf­ti­gen und eben die­se ange­hen. So gese­hen, ist ein lösungs­ori­en­tier­ter Ansatz tat­säch­lich nur dann einer, wenn er nicht Zeit und Geld spa­ren und dadurch attrak­tiv prä­sen­tiert wer­den soll, son­dern genau das tut, was Zeit und Geld kos­tet: Ursa­chen­for­schung.

In Zusam­men­hang mit Ursa­che und Sym­ptom emp­feh­le ich, mei­nen Arti­kel Das Wir ent­schei­det zu lesen. Des­wei­te­ren könn­ten auch fol­gen­de Arti­kel inter­es­sant sein: Flücht­lin­ge in Deutsch­land und Vom Umgang mit dem Umgang mit »isla­mis­ti­schem Extre­mis­mus«.

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